Der Umsatz im deutschen Einzelhandel ist im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um rund 3 % zurückgegangen. Dieser Befund bezieht sich auf die preisbereinigten Realumsätze. Der nominelle Umsatz fiel 2023 zwar rund 2,5 % höher aus als im Jahr 2022, doch wird dieser vermeintliche Anstieg durch das gestiegene Preisniveau verzerrt. Kurz und gut lässt sich also feststellen, es wurde insgesamt weniger verkauft, wohingegen die Höhe des Umsatzes aufgrund der gestiegenen Preise dennoch etwas größer ausfiel. Wo liegen die Gründe für diese Entwicklung?
Nachwirkungen der Corona-Zeit
Der Rückgang des Umsatzes im Einzelhandel ist vor allem eine Frage der Perspektive. Denn im statistischen Mittel betrachtet, geht es dem deutschen Einzelhandel keineswegs schlecht. Allerdings sind die Umsätze in den Jahren 2020 und 2021 besonders hoch ausgefallen, wodurch sich der Eindruck eines schwächelnden Einzelhandels verstärkt. Mit dem Jahr 2015 als Referenz (Wert 100) erreichte der Umsatz im Einzelhandel zum Jahresende 2017, 2018 und 2019 jeweils Werte um 125. Dagegen waren Ende 2020 ein Wert von 133 und Ende 2021 ein Wert von 136 zu verzeichnen. Ende 2022 wurde dann wieder nur ein Wert von 128 erreicht und spätestens zum Jahresende 2023 war der Umsatz wieder auf dem Niveau von 2017 angelangt (Quelle: www.destatis.de.)
Der Grund, warum der Umsatz in den Jahren 2020 und 2021 so vergleichsweise hoch ausgefallen war, lag in der Corona-Pandemie begründet. Dies erscheint zunächst irritierend, da in dieser Zeit das öffentliche Leben beschränkt war und viele Geschäfte über einen Kundenrückgang zu klagen hatten. Im Gegensatz zum stationären Handel erfreute sich allerdings der Online-Handel in dieser Zeit besonders großer Umsätze. Dies lag daran, dass viele Leute gezwungenermaßen zu Hause blieben und die gewonnene Freizeit während der Lockdown- und Homeoffice-Zeit für kostenintensive Hobbys oder für ihr Entertainment nutzten. Eindeutig ist dies an den Absätzen bei Fernsehgeräten erkennbar.
Während 2019 nur 6,48 Millionen Fernseher in Deutschland verkauft wurden, lag der Absatz im Jahr 2020 bei 7,2 Millionen. Da somit der Markt für Fernseher gedeckt war und viele Haushalte ein brandneues Gerät angeschafft hatten, sackte der Absatz im Jahr 2021 bereits auf 5,78 Millionen ab, obwohl auch dieses Jahr noch teilweise in die Corona-Pandemie fiel. Noch stärker wirkte sich dieser Effekte in den folgenden Jahren aus. 2022 sank die Zahl verkaufter Fernseher auf 4,89 Millionen, 2023 dann weiter auf 4,36 Millionen und damit auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren. Bei Notebooks und Spielekonsolen ist ein ähnlicher Effekt zu beobachten.
Steigende Verbraucherpreise durch den Ukraine-Krieg
Der russische Überfall auf die Ukraine hat 2022 in vielen Branchen zu deutlichen Preisansteigen geführt. Obwohl in Deutschland 2023 nicht annähernd die rapide Preisentwicklung des Hyperinflationsjahrs 1923 erreicht wurde, so bereitet die inflationäre Geldentwertung doch vielen Konsumenten Sorgen. Die Lebensmittelpreise sind nach dem Februar 2022 in Deutschland merklich gestiegen und haben sich erst jüngst wieder normalisiert. Vor allem bei der Energie waren außerdem sprunghafte Preisanstiege zu verzeichnen, sowohl bei Spritpreisen als auch bei Heizkosten. Hierdurch hat vielerorts auch das ohnehin hohe Mietniveau noch weiter angezogen. Die Löhne und Gehälter haben dagegen in dieser Zeit keinen entsprechenden Zuwachs erfahren.
Viele Menschen in Deutschland haben daher real weniger Geld zur Verfügung und das vorhandene Budget wird bis in die Mittelschicht hinein vornehmlich für die Deckung des alltäglichen Bedarfs, für Lebensmittel, Miete und Kraftstoff ausgegeben. So hat der Durchschnittspreis für Superbenzin in den Jahren 2022/23 gegenüber der Zeit vor dem Ukraine-Krieg um rund 50 % zugenommen. Bei Speiseölen, Getreide- und Milchprodukten waren ebenfalls erhebliche Preissteigerungen zu sehen.
Die Konsumfreudigkeit hat bei allem, was als überflüssiger „Luxus“ bezeichnet werden kann, in der Folge stark abgenommen. Dies zeigt sich auch bei einem detaillierten Blick in die Verkaufsstatistiken. Während der Umsatz mit Lebensmitteln in Supermärkten nur um 0,3 % gesunken ist, hat sich der Umsatz im Facheinzelhandel für Lebensmittel um 3 % verringert. Starke Rückgänge gab es zudem bei Haushaltswaren und Einrichtung (7,2 % Rückgang), Druckerzeugnissen (1,6 % Rückgang), Kosmetik (3,1 % Rückgang), sowie im Versandhandel (3,1 % Rückgang).
Prognosen rechnen mit geringfügiger Besserung
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die gegenwärtige Entwicklung im Einzelhandel das Ergebnis aus den strukturellen Nachwirkungen zweier außergewöhnlicher Ereignisse darstellt. Der Markt ist in Folge der Corona-Pandemie mit vielen langlebigen Konsumgütern übersättigt, da die Konsumenten die zusätzlich zur Verfügung stehende Zeit und überschüssiges Geld für entsprechende Investitionen genutzt haben. Es wird in diesem Bereich wohl noch einige Zeit dauern, bis wieder eine Normalisierung des Absatzverhaltens oder ein Aufwärtstrend einsetzt.
Als weiterer Faktor kommt die Inflation seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hinzu. Das gestiegene Preisniveau hat bei den Konsumenten die Kauflaune erheblich gedrückt. Trotz mancher Linderungen werden die Vorkriegspreise wohl in absehbarer Zukunft nicht wieder erreicht werden, zumal ein Friedensschluss noch lange nicht absehbar scheint.
Dennoch erscheint die Talsole der Entwicklung mittlerweile erreicht. Handelsverbände zeigen bei ihren Prognosen für das zweite Halbjahr 2024 einen, wenn auch noch vorsichtigen, Optimismus. Mit einer leichten Erholung des Einzelhandelsumsatzes kann somit gerechnet werden. Dramatische Verbesserungen sind jedoch aufgrund der strukturellen Rahmenbedingungen in naher Zukunft nicht zu erwarten.