Die Einkaufsgewohnheiten der Menschen haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert, und der rasante Vormarsch des E-Commerce hat diese Entwicklung noch einmal drastisch beschleunigt. Wer heute in deutschen Innenstädten unterwegs ist, sieht immer öfter geschlossene Ladengeschäfte oder große Ketten, die ihre Filialen verkleinern. Gleichzeitig boomen Online-Shops und Lieferdienste, die rund um die Uhr erreichbar sind.
Die Frage, wie der Einzelhandel der Zukunft aussehen könnte, ist deshalb längst mehr als eine akademische Überlegung. Tatsächlich steht die Branche vor einer entscheidenden Weichenstellung, bei der sich zeigen wird, welche Unternehmen ihre Strategien auf das veränderte Käuferverhalten ausrichten können – und welche den Anschluss verpassen.
Viele klassische Einzelhändler müssen erkennen, dass ihr bisheriges Geschäftsmodell in seiner bisherigen Form nicht mehr ausreicht. Vorbei sind die Zeiten, als Kunden fast zwangsläufig ins Stadtzentrum strömten, um dort in einer Handvoll großer Geschäfte alles Nötige zu finden. Heute lassen sich nicht nur kleine Besorgungen, sondern auch umfangreiche Einkäufe bequem per Mausklick erledigen, oft noch am selben Tag. Diese Entwicklung sorgt in manchen Bereichen für einen Strukturwandel, der hinter den Kulissen bereits massiv im Gange ist. Unternehmen aus allen Sparten loten neue Konzepte aus, um den digitalen Wandel zu bewältigen. Man kann beobachten, dass immer mehr Händler ihre Ladenlokale zu multimedialen Showrooms umfunktionieren oder auf erlebnisorientiertes Shopping setzen, bei dem der Kunde vor allem eine einzigartige Atmosphäre sucht, um anschließend doch online zu bestellen.
In der Praxis wird deutlich, dass Kunden und Kundinnen zunehmend hybride Wege bevorzugen. Wer sich für ein Produkt interessiert, informiert sich zunächst online, vergleicht Preise oder studiert Testberichte. Nicht selten geschieht das im gleichen Moment, in dem man noch durch ein Geschäft bummelt und das Produkt in die Hand nimmt. Ist der Preis im Netz günstiger oder bietet ein Online-Shop zusätzliche Services wie eine schnelle Heimlieferung, weicht das Interesse schnell von der realen Filiale ab. Auf der anderen Seite greifen Kundinnen und Kunden bei bestimmten Produkten bevorzugt zu, wenn sie sie direkt sehen, fühlen oder anprobieren können. Dieses Spannungsverhältnis lässt sich nur auflösen, indem Händler beide Welten geschickt miteinander verbinden.
Ein Ansatz aus der Praxis lautet, dem Kunden an jedem Kontaktpunkt ein einheitliches und bequemes Einkaufserlebnis zu bieten. Wer an den Laptop geht, soll dort Informationen finden, die später nahtlos mit dem Filialerlebnis verknüpft sind. Menschen, die spontan im Laden auftauchen, erhalten die Möglichkeit, sich dort digital beraten zu lassen und Produkte auf Displays miteinander zu vergleichen. Im Idealfall legt man sich als Kunde gar nicht mehr fest, ob man den finalen Kauf online oder offline abschließt. Hauptsache, das Angebot und der Service stimmen – und dies möglichst auf allen Kanälen gleichermaßen. Das erfordert technologische Investitionen, vor allem aber eine neue Denkweise. Einzelhändler, die sich als reine Filialisten verstehen, werden den modernen Ansprüchen nicht mehr gerecht. Umgekehrt genügt es aber auch nicht, nur noch auf Online-Shops zu setzen und stationäre Standorte zu vernachlässigen. Das Zukunftsmodell des Einzelhandels ist vielmehr eine Kombination aus beidem.
Wie weitreichend dieser Wandel ist, lässt sich besonders anschaulich an den großen Supermarktketten beobachten. Wer heute in deutsche Innenstädte schaut, entdeckt immer öfter kompakte Märkte, die stärker auf Convenience und Frische setzen und gleichzeitig ein erweitertes Online-Angebot bereithalten. Dieser Trend spiegelt sich beispielsweise darin wider, dass die Filialen laufend modernisiert werden, während auf den Webseiten oder in den Apps der Anbieter Bestellmöglichkeiten integriert sind. Dort können Kunden dann bestimmte Artikel bequem vorbestellen und anschließend vor Ort abholen oder sich nach Hause liefern lassen. Auch das Sortiment wird in vielen Fällen digital erweitert, um spezielle Produkte anzubieten, die im stationären Regal keinen Platz finden oder die man eher in einem Online-Sortiment vermuten würde.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die Machtverhältnisse zwischen Herstellern und Händlern. Große Handelskonzerne verfügen über genügend Ressourcen, um in neue Technologien zu investieren und ihr Angebot rasch anzupassen. Doch nicht nur die Konzerne selbst, auch ihre zahlreichen Unternehmenssparten bringen Ideen ein. Wer einen Blick auf die EDEKA Tochtergesellschaften wirft, merkt zum Beispiel schnell, dass der Konzern seine Innovationskraft dezentral verteilt. Ein Teil arbeitet an digitalen Lösungen für Lieferdienste, ein anderer konzipiert neue Store-Formate, und wieder andere Tochterfirmen kümmern sich um Logistikprozesse oder regionale Spezialisierungen. Der Vorteil dieser Struktur besteht darin, dass man rascher auf Marktveränderungen reagieren kann und gleichzeitig nicht alles über eine starre Zentrale regeln muss. In der Zukunft könnte genau diese Mischung aus zentraler Leitung und lokaler oder regionaler Flexibilität noch wichtiger werden.
Währenddessen bleibt auch die Konkurrenz nicht untätig. Wer etwa auf die REWE Tochtergesellschaften schaut, erkennt ebenfalls unterschiedliche Strategien, um das Filialgeschäft zu stärken und ein breites digitales Angebot zu etablieren. Je nachdem, ob es sich um einen kleineren Rewe City-Markt in einer Innenstadt handelt oder einen großen Markt auf der grünen Wiese, greifen verschiedene Konzepte. Mancherorts testet man neue Technologien wie automatisierte Kassen oder Kiosksysteme, damit Kunden den Einkauf schneller abwickeln können. In anderen Gebieten setzt man dagegen auf mehr Nachhaltigkeit und eine stärkere Verzahnung mit regionalen Lieferanten. So kann es passieren, dass während in einer Filiale das Einkaufen weitgehend automatisiert stattfindet, an einem anderen Standort ein offenes Frischesortiment im Vordergrund steht, bei dem die direkte Beratung durch das Personal unverzichtbar ist.
Diese Vielfalt an Modellen ist ein Indiz dafür, dass die Zukunft des Einzelhandels keineswegs einheitlich aussehen muss. Gerade in Deutschland, wo es große Unterschiede zwischen Metropolregionen, Kleinstädten und ländlichen Gebieten gibt, dürfte sich ein Modell kaum überall durchsetzen. Die Bereitschaft, online einzukaufen, mag zwar in Großstädten höher sein, doch auch in ländlichen Räumen entdecken die Menschen zunehmend die Vorteile von E-Commerce und Lieferdiensten, um weite Wege oder eine begrenzte Auswahl in örtlichen Geschäften zu umgehen. Beim stationären Handel kommt es deshalb darauf an, eine klare Strategie zu entwickeln, die den jeweiligen Standort in seiner Besonderheit berücksichtigt.
Ein Erfolgsfaktor der Zukunft wird es sein, Kundinnen und Kunden nicht nur Waren zu verkaufen, sondern ihnen ein Erlebnis zu bieten, das über den reinen Einkauf hinausgeht. Wenn jemand am Wochenende in die Stadt fährt, um in einem Laden einkaufen zu gehen, sucht er zunehmend mehr als ein bloßes Transaktionsgeschäft. Ein angenehmes Ambiente, fachkundige Beratung, interessante Aktionen und vielleicht sogar gastronomische Angebote im gleichen Umfeld steigern die Bereitschaft, den Kaufabschluss direkt vor Ort zu tätigen. Das Ladengeschäft wird so zu einem Ort, an dem man sich gern aufhält. Wer beim Schlendern noch spontane Inspirationen bekommt oder exklusiv die neuesten Produkte testen darf, empfindet das Einkaufserlebnis als Mehrwert gegenüber einer rein digitalen Bestellung.
Manche Händler gehen bereits einen Schritt weiter und experimentieren mit Virtual Reality oder Augmented Reality im Laden. Zwar haben diese Technologien noch keinen flächendeckenden Einzug gehalten, doch erste Erfolge zeigen, wie attraktiv das Shoppen werden kann, wenn man vor Ort spielerische oder informative Erweiterungen anbietet. Das kann zum Beispiel ein virtueller Rundgang durch das Weingut sein, von dem eine Flasche stammt, oder eine 3D-Ansicht verschiedener Möbelstücke, die sich in Originalgröße in einen digitalen Raum einblenden lassen. Je passender eine solche Technologie zum Sortiment und zum Zielpublikum passt, desto effektiver ist sie als Kundenmagnet.
Im Kern bleibt der Handel aber ein Geschäft mit echten Produkten und menschlichen Bedürfnissen. Diese lassen sich zwar teilweise digital simulieren oder standardisieren, doch letztendlich sehnen sich viele Menschen weiterhin nach persönlicher Beratung, freundlichem Personal und einem Ort, an dem sie sich wohlfühlen. Das jedoch müssen Händler aktiv gestalten, und dafür ist ein Umdenken auf allen Ebenen notwendig – von der Ladengestaltung über die Angebotspräsentation bis hin zum Servicekonzept. Längst hat man verstanden, dass bloßes „Anbieten“ nicht mehr reicht. Wer gut beraten wird, kommt wieder, empfiehlt den Laden und ist eher bereit, spontan zusätzliche Artikel zu kaufen.
Die Handelsriesen stellen sich darauf bereits ein, indem sie viel in Datenanalyse und Technologien investieren, die das Kaufverhalten ihrer Kunden auf unterschiedlichen Kanälen durchleuchten. Vor allem große Ketten haben erkannt, dass es nicht nur darum geht, ein Geschäft modern wirken zu lassen, sondern auch darum, die Kundenreise – vom ersten Interesse bis zum erneuten Kauf – zu verstehen und daraufhin zu optimieren. Ein entscheidender Antrieb dafür ist die steigende Zahl an Online-Bestellungen, die Unternehmen vor logistische und wirtschaftliche Herausforderungen stellt. Denn wer frische Ware liefern möchte, muss neue Kühlketten aufbauen und sich um kurze Zustellzeiten kümmern, während im Hintergrund Retouren und Reklamationen effizient abgewickelt werden wollen.
Besonders interessant dürfte die künftige Rolle der Innenstadt sein. Manche Beobachter sprechen bereits von einer „Post-Shopping-Ära“, in der nur noch Cafés, Restaurants und Dienstleistungsanbieter in den citynahen Lagen verbleiben, während der größte Teil des Handels online abgewickelt wird. Andere Szenarien hingegen sehen Städte im Wandel, bei dem Mode- und Lifestyle-Geschäfte zu Erlebniswelten umgestaltet werden. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Klar ist jedenfalls, dass sich die Händler anpassen müssen, um attraktiv zu bleiben. Das gelingt nicht nur durch Digitalisierung, sondern auch durch Kooperationen mit Städten, Gemeinden und anderen Unternehmen. Nicht umsonst entstehen vielerorts Initiativen zur „Revitalisierung“ von Innenstädten, an denen sich Händler, Gastronomen und Lokalpolitik beteiligen, um ihre Standorte neu zu beleben.
Die Zukunft des Einzelhandels ist also keineswegs ausschließlich eine Online-Welt, auch wenn das Internet im Kaufprozess eine immer größere Rolle spielt. Vielmehr kommt es darauf an, stationäres und digitales Geschäft gekonnt zu verknüpfen. Wer Kunden dort abholt, wo sie gerade sind – vielleicht beim kurzen Blick aufs Smartphone oder beim Bummeln mit Freunden – erhöht die Chancen, langfristig zu bestehen. Die großen Konzerne haben diesen Wandel erkannt und passen ihre Strategien schrittweise an. Kleinere Händler können sich an diesen Entwicklungen orientieren oder sich ganz bewusst Nischen suchen, in denen sie durch Individualität und persönlichen Service punkten. Tatsächlich sind es oft die inhabergeführten Geschäfte, die in einer zunehmend uniformen Handelslandschaft für Abwechslung sorgen und Stammkunden gewinnen. Das gelingt durch gut durchdachte Sortimente, eine einladende Atmosphäre und die gezielte Nutzung digitaler Möglichkeiten, ohne dabei die eigene Identität zu verlieren.
Vielleicht wird man in einigen Jahren auf die heutige Zeit zurückblicken und sie als Phase eines tiefgreifenden Umbruchs betrachten. Vieles, was jetzt noch als Experiment gilt, könnte dann längst zum Alltag gehören. Umso wichtiger ist es, dass sowohl Händler als auch Kunden ihre Rolle aktiv gestalten. Für die Unternehmen bedeutet das: eine offenere Haltung gegenüber neuen Technologien, kluge Investitionen in den Omnichannel-Bereich und eine konsequente Ausrichtung an den sich wandelnden Kundenbedürfnissen. Auch wenn sich nicht alles vorhersagen lässt, deutet vieles darauf hin, dass in Zukunft jene Händler bestehen werden, die aus dem Fortschritt echten Mehrwert machen – für sich selbst und für ihre Kunden. Und ob man am Ende online oder vor Ort einkauft, wird vermutlich immer weniger an starren Grenzen festzumachen sein, sondern an dem, was das beste Gesamterlebnis bietet.