Zwischen Überbestand und Engpass: Planungstipps für KMU

von Redaktion

Jeder Unternehmer weiß, dass Überbestände und Lieferengpässe zwei Seiten derselben Medaille sind. Gleichsam gibt es jedoch in vielen Firmen im Jahresverlauf deutliche Unterschiede bei der Nachfrage, wodurch sowohl zu viel als auch zu wenig Material zu einer doppelten Herausforderung werden kann. Was also tun?

Die große Frage: Was ist schlimmer? Überbestand oder Engpass?

Bevor wir darauf eingehen, wie sich die Gefahren für beides reduzieren lassen, ist es zunächst nötig, eine Grundsatzfrage zu stellen: Gibt es etwas, das hiervon besser oder schlechter, also mehr oder weniger erstrebenswert ist? Die Antwort: Jein. Sowohl Überbestand als auch Engpass sind negativ im Sinne guter wirtschaftlicher Tätigkeit, sollten also beide mit gleicher Intensivität vermieden werden (einmal abgesehen von jederzeit sinnvollen Notreserven). Dennoch kann es in der Praxis eine gewisse Abstufung der Negativität geben:

  • Überbestände binden zunächst einmal hauptsächlich „nur“ Kapital. Solange es sich dabei jedoch um Inventar handelt, das in absehbarer Zeit gewinnbringend veräußert werden kann, gibt es wenigstens keine nach außen wirkenden Negativeffekte. Zumal gewisse Überbestände, wie erwähnt, sogar als Notfallreserve taugen können und dadurch helfen, ungeplante Engpässe abzufedern – seit Corona ein zunehmender Trend.
  • Materialengpässe sind gefährlicher. Das war in der Pandemie überdeutlich zu spüren. Denn sie hemmen die gesamte Geschäftstätigkeit, reduzieren die Einnahmen und – besonders kritisch – können Kunden nachhaltig zur Konkurrenz treiben, von wo sie nur unter erhöhtem Aufwand zurückgeholt werden können.

Mit anderen Worten: Ein Überbestand reduziert vielfach „lediglich“ den finanziellen Spielraum des Unternehmens, wohingegen ein Engpass die gesamte Tätigkeit und ein womöglich hart erarbeitetes Image schädigen kann.

In der Praxis kommen jedoch immer noch Abstufungen in der Schwere hinzu. Ein Engpass, der vielleicht nur wenige Tage Verzögerung bedeutet, wirkt längst nicht so schlimm wie einer, der den Betrieb tatsächlich zum Stillstand verdammt. Ebenso ist ein Überbestand an veraltetem oder anderweitig schlecht verkäuflichem Material eine andere „Liga“ als bloß eine zu große Anhäufung, die durch einen leichten Nachfrage-Knick entsteht.

Die wichtigste Strategie: Planung und noch mehr Planung

Eines steht felsenfest: Gerade in KMU resultieren Überbestände und Engpässe (sofern sie nicht durch unvorhersehbare und unkontrollierbare äußere Ereignisse hervorgerufen werden) sehr häufig durch ein „Fahren auf Sicht“ – also ein zu stark taktisches, kurzfristiges, dadurch zu wenig strategisches, langfristiges Agieren. Planung mit Weitsicht, ein optimales Kalkulieren und frühzeitiges Organisieren der Bedarfsmengen ist unter dieser Voraussetzung das mit Abstand schärfste Schwert, um die Gefahren für beides erheblich zu vermindern. Wichtig dazu ist Folgendes:

  1. Es müssen aus der Vergangenheit umfassende Daten erhoben, durchleuchtet und ins Verhältnis gesetzt werden. Dadurch wird insbesondere unter Verwendung von Big-Data-Techniken nicht nur ersichtlich, wie sich die Nachfrage voraussehbar auch künftig darstellen wird. Ebenso lassen sich mit etwas Glück Vorzeichen erkennen, falls es zu einer anhand der Vergangenheit nicht vorhersehbaren Steigerung oder Reduzierung kommt. Bedeutet: Beschaffung und Absatz werden erheblich besser prognostizierbar.
  2. Einkauf und Vertrieb sollten umfassend miteinander verzahnt werden, damit beide Abteilungen einander zuarbeiten. In vielen Betrieben besteht hier eine zu starke Trennung, wodurch das Materialmanagement „ruckelig“ werden kann.

Dabei kann man nicht genug betonen, wie stark Digitalisierung helfen kann. Denn nur sie ist in der Lage, enorme Datenmengen zu durchleuchten und daraus sehr treffsichere Wahrscheinlichkeiten abzuleiten. Gerade, weil es hierzu immer mehr Dienstleister gibt, können KMU vergleichsweise kostengünstige Herangehensweisen für sich finden. Es muss nur den Willen geben, die Technik a) sehr umfassend zu nutzen und b) ihr nötigenfalls gegen sämtliche Bauchgefühle zu vertrauen.

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Mehr Flexibilität bei den Lagerlösungen anstreben

Gibt es einen Engpass, kostet die freistehende Lagerfläche (samt betreuendem Personal) gutes Geld. Gibt es Überbestände, genügt die Fläche womöglich nicht und es kann zu kaskadierenden Effekten kommen, die fast immer ebenfalls sehr teuer sind und häufig langfristig binden.

Die gesamte Lagerlogistik sollte dagegen ebenfalls flexibler gehandhabt werden. Das bedeutet vor allem: Es muss möglich sein, sowohl auf Engpässe als auch Nachfrageschübe adäquat und insbesondere kostengünstig reagieren zu können. Tendenziell genügt es deshalb in vielen Branchen, wenn das fest vorhandene (d.h. dem Unternehmen gehörende) Lager bereits im Normalbetrieb (inklusive einer Sicherheitsreserve) „gut ausgelastet“ ist. Dann wirken sich Engpässe nicht so rasch und stark aus.

Denn: Es ist in jedem Fall leichter, kurzfristig mehr Lagerraum zu beschaffen, als zu viel Lagerraum sinnvoll umzuwidmen oder abzustoßen (und wiederzubeschaffen). Hochflexible Lösungen zur Unterbringung sind längst ein eigenes Geschäftsmodell, das durch extrem kurze Laufzeiten bis herunter zu einer einzigen Woche und flexibel skalierbare Lagerflächen überzeugen kann. In den meisten Fällen die erheblich günstigere Lösung.

Jedoch: Ein wirklich mit Weitsicht gesteuertes Unternehmen sollte immer einen „Plan B“ auf Lager haben. Das bedeutet, zu wissen, was mit den fest zur Firma gehörigen Lagerflächen im Fall eines unausweichlichen größeren Engpasses getan werden kann. Dabei spielen zwei Notwendigkeiten eine primäre Rolle:

  1. Die laufenden Kosten der Lagerfläche müssen sich auf ein Minimum reduzieren lassen. Das kann beispielsweise geschehen, indem sie sich flugs räumlich abtrennen lässt und dadurch etwa nicht mehr beheizt werden muss.
  2. Sobald der Engpass behoben ist, muss die Fläche – sie gehört ja schließlich zum Normalbetrieb dazu – schnell wieder einbezogen werden können. Das spricht definitiv gegen Schnellschüsse in Sachen Vermietung oder Verkauf.

Übrigens sollten KMU es ganz ähnlich mit dem nötigen Personal handhaben. Das bedeutet insbesondere gute Kontakte zu Arbeitnehmerüberlassungen und möglichst frühzeitige Anmeldung sich abzeichnenden Mehrbedarfs – wobei wieder die langfristige Planung hilft.

Die „Danger Parts“ definieren und besser handhaben

Engpässe und Überbestände betreffen nur selten den gesamten Warenkorb eines Unternehmens. Sehr oft sind es nur bestimmte Rohstoffe bzw. Produkte, bei denen es zu Schwierigkeiten kommt. Denken wir erneut an die Pandemie. Damals waren es Computerchips, die aufgrund einer denkbar ungünstigen Ereignisverkettung verknappt waren. Ebenso wichtig wie eine präzisere Planung ist eine genauere Definition derartiger „Danger Parts“ im Unternehmen. Das heißt:

  • Wobei ist die Gefahr besonders groß, dass es zu Versorgungsschwierigkeiten kommen könnte – und unter welchen Umständen?
  • Was häuft sich bei Absatzschwierigkeiten als erstes an und warum genau?

Wenn beide Fragen beantwortet sind, dann sollte im Anschluss sofort eine weitere Fragestellung erfolgen. Nein, nicht so sehr nach dem „Wie“, sondern eher nach: „Können wir vielleicht auf diesen Rohstoff verzichten oder das kritische Produkt ganz aus dem Programm nehmen, sofern es keine Möglichkeit gibt, es während der schwachen Zeit besser zu vermarkten?“ Natürlich ist das nicht immer möglich und erneut ist präzises Kalkulieren erforderlich. Wenn ein Rohstoff/Produkt jedoch unter dem Strich mehr Ärger als Nutzen verursacht, wäre es nur folgerichtig, ihn aus der Gleichung heraus zu streichen.

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Die Lieferanten und Abnehmer diversifizieren

Wenn aus den bisherigen Kapiteln eines „zwischen den Zeilen“ ersichtlich wurde, dann, wie wichtig Flexibilität ist, um Stockungen zu vermeiden. Gerade KMU haben hierbei aufgrund ihrer geringeren Größe oft erheblich mehr Bewegungsfreiheit – sie nutzen sie oftmals nur nicht ausreichend.

Was Überbestände und Engpässe anbelangt, so gilt hier in der Tat im allerbesten Sinn „Diversity is our strength“. Lange bevor Beschaffungs- und Absatzschwierigkeiten sich andeuten, sollten Unternehmen versuchen, für diese Fälle schnell wechseln zu können. Das heißt:

  • Suchen von und Verhandeln mit potenziellen Alternativlieferanten. Und zwar nicht nur oberflächlich, sondern mit Einholen von Angeboten und Unterschreiben von zumindest Vorverträgen. Gibt es erst einmal einen Engpass, dann wird dieser Prozess kostbare Zeit verschlingen. So hingegen können Kapazitäten bereits gebucht werden. Im Fall der Fälle ist ein Umswitchen dann vielleicht nur einige Telefonate und E-Mails entfernt.
  • Definieren von schnell erreichbaren alternativen Zielgruppen und/oder Märkten. Dieser Prozess mag schwieriger sein, weil es zu verlockend ist, eine einmal gefundene neue Zielgruppe dauerhaft zu Kunden zu machen. Dennoch ist es ein wirksames Mittel. Besonders dann, wenn dazu in der Produktion bzw. an den Produkten nur wenig geändert werden muss.

Wichtig für die Lieferanten: Ideal wären natürlich solche, bei denen der Preis gleichbleibend oder sogar geringer ist. Im Zweifelsfall sollten jedoch selbst höhere Kosten kein Tabu sein. Im Angesicht eines Engpasses ist Verfügbarkeit erheblich wichtiger als Preisstabilität.

Gerne können solche Partner bereits im Vorfeld durch kleinere Aufträge von einer Kooperation überzeugt werden. Nicht nur, weil das fließende Geld für eine bessere Beziehung sorgt, sondern weil es definitiv einfacher ist, eine bereits bestehende Versorgung bloß hochzufahren anstatt sie von Null ausgehend zu starten. Zumal ein schon im Normalbetrieb diversifiziertes Lieferantenspektrum die Gefahr an sich reduziert.

Fazit: Überbestände und Engpässe lassen sich handhaben

Ein gewisses Restrisiko dafür, zu wenig zu bekommen oder nicht genug absetzen zu können, lässt sich leider niemals vermeiden. Dennoch haben KMU es in der Hand, wie groß dieses Restrisiko ist. Denn viele Gründe für Lieferschwierigkeiten und Überbestände sind, wenn nicht hausgemacht, dann doch wenigstens abseh- und handhabbar. Wichtig ist vor allem, das alles vor dem Hintergrund von Langfristigkeit und Flexibilität zu betrachten. Denn wenn der Normalbetrieb erst einmal aus dem Takt gebracht wird, drängt die Zeit viel zu stark, wodurch die Handlungsfreiheit empfindlich reduziert wird.

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